Aus aktuellem Anlass möchte ich auf etwas fast beiläufiges hinweisen. Google expandiert in Zürich weiter. In einem ersten Schritt hat nun Google im Januar 2017 neue Büros in der historischen Sihlpost hinter dem Bahnhof Zürich eröffnet. Dort finden derzeit knapp 300 Angestellte Platz, das ist aber erst der Anfang. Denn langfristig sollen über 5’000 Arbeitsplätze hier angesiedelt werden. Schon heute sind am Standort Hürlimann Areal über 2’000 Mitarbeiter aus 75 Nationen der grösste Forschungs- und Entwicklungsstandort von Google ausserhalb der USA. Und das wird nun mehr. Da können Swisscom und Co fast einpacken. Dazu konnte man im Tagesanzeiger lesen:
«Zürich ist ein idealer Standort für Google», sagte Schweiz-Chef Patrick Warnking vor den Medien. Zwölf Jahre nach der Ansiedlung der Firma aus dem kalifornischen Mountain View in der grössten Schweizer Stadt setze man die Investitionen dort fort. Ein Vorteil sei der hohe Bildungsstandard sowie die Nähe zu den Eidg. Technischen Hochschulen von Zürich und Lausanne.
Also Google kommt in die Schweiz und zieht natürlich einiges an Talent an. gleichzeitig ist in Ländern wie China und Indien eine neue Konkurrenzsituation auf akademischer Ebene entstanden, eine Elite, im Ausland ausgebildet und hungrig ging längst zurück in die Heimatländer, bauten Geschäfte auf und schauen nun nach Europa und auch in die Schweiz für Übernahmen (Siehe auch Die EU-Staaten fürchten sich vor Chinas Billigware). Hinzu kommt der (Aus-)Verkauf von Europäischen Technologieunternehmen (siehe Artikel hier). Auch Schweizer Unternehmen sind von diesem Trend betroffen: Change or be changed. Sei es um neue Talente anzuziehen oder auch um überhaupt überleben zu können.
Warum betrifft die Digitalisierung auch Geschäftsmodelle?
Oft versuchen KMU bestehende Geschäftsmodelle digital anzupassen statt im neuen Kundennutzen und Kundenverhalten zu denken. Besonders beliebt ist eine Reduktion der Digitalisierung auf (Mobil) Geräte welche Kunden verwenden. Das funktioniert aber einfach nicht, denn sie missachten die effektiven Bedürfnisse von Kunden. Wer ein zukunftsorientiertes, digital angereichertes Businessmodell entwickeln möchte, richtet sich konsequent nach den Bedürfnissen seiner bestehenden sowie neuen Kunden aus und lässt Prozesse und Infrastruktur nachfolgen. Immer den Mehrwert zuerst, Prozesse und Menschen danach. Versuchen Sie nicht, bestehende Menschen und Prozesse so umzubiegen „dass es passen könnte“.
Was ist ein digitales Geschäftsmodell also? Zuerst ist es eine Transaktion, die über digitale Technologien abgewickelt wird – online (website), portal (ecommerce), plattform (marktplatz), direkt (blockchain). Eine Transaktion ist der Austausch von einer Leistung und einer Gegenleistung, die zwischen einem nachfragenden und einem anbietenden System nach genauen Regeln über eine definierte Schnittstelle hinweg abläuft. Die Transaktion darf dabei nicht einmalig oder zufällig ablaufen, sondern muss wiederholt und skaliert werden können. Ein digitales Geschäftsmodell besteht aus sechs Komponenten sagt zB Chris tian Hoff meister. Es sind:
- eine Transaktion zwischen
- einem anbietenden und
- ein nachfragenden digitalen System
- eine (digitale) Leistung und
- eine passende Gegenleistung (monetär oder non monetär)
- Skalierbarkeit der Transaktion (Leistungen und genügend Nachfrage und Prozess it wiederholbar)
Mit diesen Elementen lassen sich eigentlich alle Geschäftsmodelle beschreiben, nur gibt es bei digitalen Formen einige Besonderheiten, die Auswirkungen auf das Management von digitalen Modellen haben. So ist dabei zu beachten, dass die Transaktion immer zwischen Digitalsystemen stattfindet, nicht zwischen Menschen. Es wird eine vollständige digitale Ausstattung auf allen Seiten benötigt. Digitale Geschäftsmodelle können daher auch gänzlich ohne operatives Zutun von Menschen statt finden, wie ein Hochfrequenzhandel von Aktien oder das Handeln von Werbeplätzen (Realtime Bidding) oder transaktionsbasierte bot-Buchungen.
Definition 2: „Internetbasierte Werteversprechen auf Grundlage intelligenter Wertketten“, Universität St. Gallen
Die Universität St. Gallen mit Prof. Dr. Gassmann nähert sich dem Begriff des Digitalen Geschäftsmodells via „Digitale Transformation im Unternehmen gestalten
Definition 3: „Digitales Leistungsversprechen bei angepasster Ertragsmechanik“, Michael Jaekel
Michael Jaekel schreibt darüber in seinem Buch „Die Anatomie digitaler Geschäftsmodelle“ über das „Digitales Geschäftsmodell“.
Definition 4: „Digitale Transformation eines Geschäftsmodells“, Hochschule Ulm
Für den Hochschulprofessor Daniel R.A. Schallmo ist ein „Digitales Geschäftsmodells“: die digitale Transformation eines regulären Geschäftsmodells.
Solche digitale Geschäftsmodelle bieten entweder komplett digitale Leistungen an, wie etwa Video-on-Demand oder das immer stärker wachsende Online-Gaming. Sie unterstützen dabei Geschäftsmodelle, die haptische Leistungen anbieten und müssen daher auch mit diesen gekoppelt werden. Das kann sein, in dem man in einem ersten Schritt eine E-Commerce-Plattformen anbindet oder eine API bereitstellt.
Digitalisierte Prozesse sind via APIs für alle zugänglich
Alle Plattformen und deren Transaktionen bestehen aus einzelnen Prozessschritten. Die oft nur unter der Abkürzung bekannten Application Programming Interfaces (APIs) machen diese digitalisierten Prozesse für jedermann zugänglich und gleichzeitig über Plattformen skalierbar. Unabhängig von Branche und Angebot haben viele Unternehmen (allen voran Twitter und Google) den eigenen Erfolg nicht zuletzt diesen offenen Schnittstellen (APIs) zu verdanken. Aufgrund der Milliarden Aufrufe pro Tag nennt man diese Unternehmen auch API Billionaires. Google hat zum Beispiel in die Akquisition des API Plattform Providers apigee 625 Mio USD investiert – und das Geschäftsmodell von Twitter setzt zu 80% auf deren API.
Wie entwickelt man ein digitales Geschäftsmodell?
Die Dynamik der Märkte und der gesellschaftliche Wandel fordern eine spezielle Schnelligkeit in der Umsetzung. Deshalb unterteilen wir digitale Projekte in zwei Phasen. Phase eins erzeugt eine Basis-Plattform mit den notwendigsten Funktionen (aus Sicht des Kunden und des Nutzens) und erfolgt im Wasserfall-Modell. Ziel ist es, schnellstmöglich am Markt zu sein, um das Konzept in den Grundzügen zu validieren. In Phase zwei werden einzelne Applikationen hinzugefügt. Jede Applikation erweitert die Plattform. Der Erfolg der Applikation wird anhand der erzeugten verhaltenspsychologischen Reaktionen bewertet. Die Reduktion der Applikationen auf das Wesentliche und die Kürze der Sprints ermöglichen schnelles Lernen und eine hohe Anzahl von Applikationen. Durch dieses Vorgehen entwickelt sich die gesamte Plattform evolutionär auf die Bedürfnisse des Kunden. Erfolgreiche Applikationen werden weiterentwickelt, nicht erfolgreiche abgeschaltet. Mit diesem System präsentieren wir Ihnen einen Ansatz, mit dem Ihr Strategieprojekt innerhalb von Wochen an den Start gehen kann und innerhalb von Monaten Nutzen steigert.
Die Digitalen Treiber verstehen
Ganz wichtig zu verstehen: Digitale Geschäftsmodell brauchen Treiber um zu wachsen, zu skalieren und zu funktionieren.
- Soziale Netzwerke: Seien Sie offen, ansprechbar, gehen Sie auf Feedback ein. Konsumenten sind heute weltweit vernetzt. Ihr Unternehmen und Ihre Produkte werden immer transparenter: von Image, über Qualität und Nachhaltigkeit bis hin zum Preis. Positive wie negative Erfahrungen werden weiter verbreitet – weltweit. Nutzen Sie das zu Ihrem Vorteil.
- Smartphones: Optimieren Sie Ihre Angebote und Dienste für den mobilen Einsatz. Die „schlauen Telefone“ sind „Digitale Assistenten“, die ihren Besitzer bei nahezu allem, was er macht, unterstützen. Unternehmen können es sich schlicht nicht leisten, diesem Milliarden-Heer von Assistenten unbekannt oder unzugänglich zu sein.
- Big Data: Lassen Sie Ihre Daten nicht ungenutzt. Es ist heute möglich, riesige Datenmengen im Bruchteil einer Sekunde zu verarbeiten. Das schafft ganz neue Möglichkeiten – und Erwartungen beim Kunden. Veraltete, ungenaue Daten oder verzögerte Antworten werden nicht mehr akzeptiert. Erst recht dann nicht, wenn Ihr Wettbewerber besser ist.
- Cloud: Machen Sie Ihre Daten und Anwendungen immer und überall verfügbar. Das lässt Sie viel flexibler auf neue Anforderungen der Kunden reagieren. Jede Nicht-Verfügbarkeit ist ein potenziell entgangenes Geschäft für ein Unternehmen – und auch das können Sie sich nicht mehr leisten.
Die Vorlage dazu ist ein Canvas
Auf Basis des Business Modell Canvas wurden schon zahlreiche Geschäftsmodelle entwickelt. Leider eignet sich der Canvas nur bedingt für die Entwicklung von Digitalen Geschäftsmodellen. Das Business-Model-Canvas wurde von Strategyzr.com entwickelt und ist mittlerweile das Standardwerkzeug digitaler Unternehmensgründungen. Wir benutzen das Business-Model-Canvas (BMC), um mit unseren Kunden innovative Ideen zu entwickeln, zu diskutieren und zu verfeinern. Risiken und Chancen digitaler Geschäftsmodelle werden mit dem BMC abschätzbar und damit fokussiert planbar. Dieses Insight beleuchtet, wie das BMC aufgebaut ist und wie es angewendet wird.
Das Vorgehen in 5 Schritten
Schritt 1 – Eigene Wertschöpfung und existierende Kunden
Starten Sie mit der eigenen Wertschöpfung. Analysieren Sie diese mithilfe visueller Methoden wie dem Business-Model-Canvas und Design-Thinking. Entwickeln Sie auf Basis verhaltenspsychologischer Methoden geeignete Ansätze, um mithilfe digitaler Technologie Nutzen zu schaffen. Integrieren Sie die besten Kunden in den Entwicklungsprozess, indem Sie auf OpenInnovation setzen.
Schritt 2 – Eigene Branche und bewährtes, digitales Geschäftsmodell
Starten Sie mit Ihren bestehenden Kunden. Bauen Sie einen OpenInnovation-Prozess auf und entwickeln Sie Hypothesen und Ansätze auf verhaltenspsychologischer Basis. Führen Sie die Innovations-Workshops mit Design-Thinking-Methoden durch. Gehen Sie bekannte digitale Geschäftsmodelle durch und entwickeln Sie auf deren Basis digitale Angebote mit Mehrwert für Ihre Kunden. Holen Sie sich Feedback bei Ihren Kunden.
Schritt 3 – Eigene Branche und unbekanntes, digitales Geschäftsmodell
Starten Sie mit Ihren bekannten Kunden. Generieren Sie auf Basis der Verhaltenspsychologie (EmotionalCommerce) und Design-Thinking Ideen und Ansätze, mit denen Sie Mehrwert und Nutzen erzeugen können. Visualisieren Sie diese Ideen mithilfe des Business-Model-Canvas. Spielen Sie unterschiedliche Modelle der Monetarisierung durch. Bedenken Sie, dass Sie alle Hypothesen des neuen Geschäftsmodells mit Prototypen (MVPs) am Markt validieren und ggf. justieren müssen. Dem höheren Risiko stehen natürlich größere Erträge beim Erfolg gegenüber.
Schritt 4 – Fremde Branche und bewährtes digitales Geschäftsmodell
Starten Sie mit Branchen, die sich im Umfeld Ihrer eigenen Branche bewegen. Holen Sie sich Experten mit Branchenwissen ins Projekt. Entwickeln Sie auf verhaltenspsychologischer Basis und mithilfe des Design-Thinkings Ideen und Ansätze. Benutzen Sie dafür bekannte digitale Geschäftsmodelle. Transferieren Sie die Modelle auf die entsprechende Branche. Obwohl bekannte digitale Geschäftsmodelle genutzt werden, müssen Sie jede einzelne Hypothese am Markt testen. Das Risiko ist verhältnismäßig hoch. Dafür locken bei Erfolg natürlich hohe Umsätze und eine Zeit lang Wettbewerbsschutz.
Schritt 5 – Fremde Branche und unbekanntes Geschäftsmodell
Starten Sie in Branchen von Interesse. Holen Sie sich Experten aus diesen Branchen ins Boot. Durchdringen Sie die bestehenden Marktfaktoren und Wertschöpfungsprozesse. Visualisieren Sie diese mit dem Business-Model-Canvas und entwickeln Sie Ideen für mögliche neue, digitale Wertschöpfungen. Benutzen Sie als Werkzeuge Design-Thinking und EmotionalCommerce. Spielen Sie unterschiedliche Möglichkeiten der Umsatzgenerierung durch. Seien Sie bereit, hohe Summen zu investieren, bis die ersten Umsätze fließen. Testen Sie alle Bestandteile der Hypothesen direkt am Markt. Ihre Organisation muss hochgradig lernorientiert sein und Fehlschläge verkraften können.
Weitere Informationen und Coaching
Spannend? Konnten wir Sie inspirieren? Dann melden Sie sich doch bei uns direkt oder schauen Sie unsere Digitalisierungsworkshops an. Vielen Dank.
Weitere Informationen zu Studien
Folgende vier Studien zur digitalen Transformation in der Schweiz können empfohlen werden:
- KPMG-Studie: Digitale Transformation in der Schweiz, 2014
- Universität St. Gallen (HSG): Digital Transformation Report, 2015
- Accenture: Digital Index der wichtigsten Player in der Schweiz, 2015
- Studie in Kooperation mit der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich: Digital Switzerland 2015
- Buch von Christian Hoffmeister auf Amazon